Ernst Reuter und der Kommunismus
Prof. Dr. Stefan Creuzberger (Projektbetreuer), Erik Schneeweis, M.A. (Projektbearbeiter), Arno-Esch-Stipendiat
Als erster Regierender Bürgermeister von Berlin setzte sich Ernst Reuter (1889-1953) Zeit seines Lebens mit dem Kommunismus auseinander. Dem breiten Publikum als strikter Antikommunist bekannt, blieb der einstige kommunistische Renegat Ernst Reuter weitgehend im Dunkeln. In bürgerliche Verhältnisse hineingeboren, wurde er während seines Studiums zu einem bekennenden Sozialdemokraten. In russischer Kriegsgefangenschaft und während seiner Zeit als Volkskommissar an der Wolga entwickelte er sich zu einem überzeugten Kommunisten der nach seiner Rückkehr nach Deutschland im Winter 1918 bis in die höchsten Kreise der KPD aufstieg. In der Position des Generalsekretärs der Partei erfuhr er die immer stärker werdende Bevormundung durch die Russische Kommunistische Partei der Bolschewiki und die Kommunistische Internationale am eigenen Leib. Jene Erfahrung und der Kontakt zum Kommunismus stalinistischer Prägung hatten großen Einfluss auf den späteren Antikommunisten Ernst Reuter.
Diese beiden Abschnitte seines Lebens will die Untersuchung durch Auswertung deutscher, russischer, englischer und amerikanischer Quellen sinnvoll miteinander verknüpfen. Dabei geht sie der Frage nach, welche Kontinuitäten und Brüche in Ernst Reuters Verhältnis zum Kommunismus auszumachen sind und wie sich diese einerseits in seinem politischen Denken und andererseits konkret in seinen politischen Aktivitäten niederschlugen. Beleuchtet werden in diesem Zusammenhang seine kommunistische Abwehrarbeit sowie seine Kooperation mit antikommunistischen Netzwerken und Institutionen in Berlin, in Bonn, innerhalb der SPD und mit den Westalliierten, stets mit dem Fokus auf die Auswirkungen dieser Beziehungen auf eine breite Strategie gegen den Kommunismus. Daneben werden auch die Reaktionen und Interaktionen in den Blick genommen, die Reuters Handeln bei der KPD/SED und bei der UdSSR auslösten.
Die Studie sieht sich der Synthese verschiedener Forschungsansätze verpflichtet und möchte weder eine reine Biografie noch eine ausschließliche Ideengeschichte sein. Vielmehr sollen die Vorzüge der biografischen Herangehensweise genutzt und mit anderen sozial- und kulturgeschichtlichen Ansätzen verbunden werden. Vornehmlich zu nennen, wären an dieser Stelle die Zugänge der transnationalen Verflechtungsgeschichte und der cold war culture-Forschung.