Forschungsprofil

Maßgeblich für die Forschungsschwerpunkte ist der Beschluss der Landesregierung vom 4. Mai 1998 (siehe Drucksache 2/3776). Im Laufe ihrer Tätigkeit hat die Forschungsstelle weitere Untersuchungsfelder zur Diktaturgeschichte im 20. Jahrhundert herausgebildet. Sie prägen heute das Profil der Einrichtung.

Einen Arbeitsschwerpunkt bildet die Geschichte der Sowjetischen Besatzungszone und der DDR. Diese wird in einem erweiterten regionalen und über die reine Binnenperspektive hinausreichenden Verständnis von Politikgeschichte reflektiert. Mehr denn je ist es erforderlich, das SED-Regime in seiner Verflechtung und Interaktion sowohl mit den osteuropäischen Nachkriegsdiktaturen als auch – in direkter politisch-ideologischer Systemkonkurrenz – mit der Bundesrepublik Deutschland zu erforschen. Dieser methodische Zugang wird um eine auf Vergleich und Transfer zielenden Perspektive ergänzt. Er verdeutlicht, dass sich die komplexen Entwicklungen, die zwischen 1945 und 1989/90 jenseits des „Eisernen Vorhangs“ stattfanden, erst in einem gesamteuropäischen Bezugsrahmen und in Wechselwirkung mit den westeuropäischen Nachkriegsdemokratien angemessen erfassen lassen.

In der Forschungsstelle werden gemäß ihres Arbeitsauftrags schriftliche Dokumente gesammelt, die bisher nicht in Archiven erhalten sind. Dazu zählen unter anderem Flugschriften, Schulungs- und Bildungsunterlagen, Propaganda-Materialien, sogenannte „graue“ Literatur, persönliche Nachlässe, Erinnerungsberichte, Plakate, Bilder und Fotografien. Durch die systematische Befragung von Zeitzeugen und Erstellung von Zeitzeugenberichten wird einmaliges Quellenmaterial gesichert. In Datenbanken werden Schicksale politischer Verfolgung und Unterdrückung politischer Opposition dokumentiert und der Öffentlichkeit zugänglich gemacht.  

Ein weiterer Arbeitsschwerpunkt widmet sich im Kontext des Ost-West-Konflikts seit 1917 besonders der deutsch-sowjetischen bzw. deutsch-russischen Beziehungsgeschichte. Deutschland und Russland verbindet ein wechselvolles Verhältnis mit nachhaltigen Folgen für das Europa des 20. Jahrhunderts. Dies gilt nicht nur für die beiden großen totalitären Herrschaftsformen, den Nationalsozialismus und den Stalinismus, die die europäische Geschichte und Identität tief geprägt haben. Auch in der poststalinistischen Periode und nicht zuletzt während des deutschen Vereinigungsprozesses in den ausgehenden 1980er und frühen 1990er Jahren hat das deutsch-sowjetische Verhältnis seine Wirkung für die damalige, vom Kalten Krieg geprägte bipolare Welt deutlich werden lassen. Ungeachtet aller Globalisierungs- und multilateraler politischer Entwicklungsprozesse zeigt sich auch zu Beginn des 21. Jahrhunderts, dass sich das vereinte Deutschland und das postsowjetische Russland nach wie vor als wichtige, auf bilaterale Interaktion orientierte Akteure betrachten.