Wissenschaft und Diktatur. Die Universität Rostock im Nationalsozialismus (1932/33–1945)
Prof. Dr. Stefan Creuzberger (Projektleiter), Florian Detjens, M.A. (Projektbearbeiter)
Die Universität ist ein Ort, an dem Wissen generiert, memoriert, multipliziert und vermittelt wird. Diesen Prozess zu kontrollieren – also die Institution als solche zu durchdringen – ist daher für die totalitären Systeme des 20. Jahrhunderts von politisch und gesellschaftlich immanenter Bedeutung gewesen. Schließlich waren die Hochschulen nicht nur potentielle Multiplikatoren der Ideologie und zugleich Ausbildungsstätte künftiger Funktionseliten, sondern auch Orte, an denen wissenschaftliche Ressourcen für das Erreichen politischer Ziele bereitgestellt wurden. Die Besonderheit der Universität Rostock besteht nicht nur darin, die älteste Hochschule des Ostseeraumes zu sein, sondern auch als erste deutsche Universität bereits seit Sommer 1932 einer nationalsozialistischen Alleinregierung unterstanden zu haben.
Im Zuge des 600-jährigen Jubiläums initiierte 2014 Rektor Prof. Dr. med. Wolfgang Schareck ein an die Forschungs- und Dokumentationsstelle angebundenes Projekt, das die ehemalige Mecklenburgische Landesuniversität während der Zeit des Nationalsozialismus untersuchen sollte. Die Ergebnisse liegen nunmehr als veröffentlichte Dissertationsschrift sowie bei der Landeszentrale für politische Bildung vor.
Rostock bewegte sich als eine der kleinsten deutschen Universitäten bereits während der Weimarer Republik am Rande der hochschulpolitischen Bedeutungslosigkeit. Dieser Trend setzte sich nicht zuletzt aufgrund der überproportional stark sinkenden Immatrikulationszahlen während des „Dritten Reiches“ fort. Das Handeln der damaligen regionalen hochschulpolitischen Akteure war dabei von einem bereits aus den 1920er-Jahren herausgebildeten „Schließungs-Komplex“ geprägt –der Furcht also vor einer Abwicklung des Hochschulstandortes. Die Geschicke der an der geographischen, bisweilen aber auch an der hochschulpolitischen Peripherie gelegenen Universität waren nämlich systemunabhängig von den sozioökonomischen Verhältnissen des Landes Mecklenburg und den daraus resultierenden Strukturproblemen geprägt. Dennoch gelang es nach einer mehrjährigen Übergangsphase den führenden Köpfen der Universität Rostock und der Landesverwaltung in Schwerin, ihre traditionelle Volluniversität abzusichern. Sie instrumentalisierten den Bedarf des NS-Regimes nach wissenschaftlichen Ressourcen und stellten sich folglich in dessen Dienste, wofür etwa die punktuelle geheime Zusammenarbeit mit dem Heereswaffenamt oder mit der regionalen Rüstungsindustrie wie den Ernst Heinkel Flugzeugwerken steht. Schließlich gelang es nach Jahrzehnten des Versuches, sogar inmitten des Zweiten Weltkrieges durch bereitwillige Anpassung an die NS-Diktatur eine Landwirtschaftliche Fakultät zu schaffen.
Der einst befürchtete Niedergang der Mecklenburgischen Landesuniversität ließ sich so – freilich zu einem hohen Preis – verhindern. Kurioserweise sorgten aber gerade die limitierten Möglichkeiten des Landes dafür, dass manche Verstrickung mit dem Regime in der Praxis weit weniger umfangreich ausgefallen sein dürfte. Als Universität im Nationalsozialismus balancierte Rostock dabei geschickt am Rande des Abgrunds – ohne aber dort hinabzustürzen.