Verhaftung und Verhöre

 

Einführung

Über den Zeitpunkt und den Ablauf der Verhaftung Arno Eschs gibt es keine Unterlagen. Vermutlich erfolgte sie ähnlich wie bei Friedrich-Franz Wiese. Am Abend des 18. Oktober 1949 wurde Wiese von zwei Polizisten in seiner Wohnung in Rostock, Klosterbachstraße 18, aufgesucht und gebeten, zur Überprüfung des Personalausweises mitzukommen. Die Verhaftung fand dann am Schröderplatz durch zwei sowjetische Offiziere im Auto statt. Wiese wurde in das NKWD-Gefängnis in die John-Brinckman-Straße gebracht. Hier erfolgte – wie allgemein üblich – das Erstverhör, überaus brutal. Anfangs vermutete Wiese, dass seine Verhaftung mit der am gleichen Tag erfolgten Festnahme seiner Geschwister Alexandra und Otfried in Parchim zusammenhängen würde. Nach insgesamt drei Verhören in dieser Nacht kam Friedrich-Franz Wiese in seine Zelle und hörte die Stimme von Arno Esch, der lautstark protestierte. Die Verhaftung der beiden Liberalen wurde gleich zu Beginn der Sitzung des Erweiterten LDP-Landesvorstandes am 19. Oktober 1949 in Schwerin durch den Landesvorsitzenden Max Suhrbier im Beisein des sowjetischen Kontrolloffiziers thematisiert. Einige Vorstandsmitglieder flohen unmittelbar danach nach Westberlin.

Sitz des SMT am Demmlerplatz Schwerin, Foto von Evgeny Zinger, Oktober 2020

 

Wann kam Esch nach Schwerin?

Die Zeitzeugenaussagen Friedrich-Franz Wieses decken sich mit den Aufzeichnungen in den sowjetischen Geheimdienstakten. Während sein Haftbefehl am 27. Oktober 1949 ausgestellt wurde, existieren Protokolle der Personendurchsuchung wie auch der Erstvernehmung, datiert auf den 19. Oktober 1949, eigenhändig vom Verhafteten unterschrieben. Wiese wurde am gleichen Tag in das NKWD-Gefängnis am Schweriner Demmlerplatz gebracht und ab dem 21. Oktober 1949 weiter verhört. Der sowjetische Haftbefehl für Arno Esch stammt vom 27. Oktober 1949. Allerdings ist kein Protokoll der Erstvernehmung überliefert, was durchaus ungewöhnlich ist. Auch das von Esch eigenhändig unterschriebene Protokoll der Personendurchsuchung (Blatt 24-31) ist auf den 29. Oktober 1949 datiert. Der erste schriftliche Nachweis, dass Esch sich im Gefängnis in Schwerin befindet, stammt vom 24. Oktober 1949. Möglicherweise war er bis zu diesem Zeitpunkt tatsächlich noch im Rostocker NKWD-Gefängnis, da der sowjetische Geheimdienst Hinweise zu einer vergrabenen Kiste mit Parteimaterialien hatte und diese erst nach dem 20. Oktober in dem Kleingarten von Walter Krumm, Vater des ebenfalls verhafteten Karl-Heinz Krumm, fand.

Innenansicht des NKWD-Gefängnisses am Demmlerplatz, Foto von Evgeny Zinger, Oktober 2020

 

Die Verhöre

In den Verhörprotokollen gibt es keine Hinweise auf Folter. Alle überlebenden Zeitzeugen dieses Prozesses haben aber nach ihrer Freilassung übereinstimmend ausgesagt, dass nicht nur psychische, sondern auch körperliche Gewalt während der Vernehmungen ausgeübt wurde. Das erste Protokoll der Vernehmung Arno Eschs (Blatt 42-54) zeigt die Ausnahmesituation, in der sich der Verhaftete befand: Das Verhör begann am 24. Oktober 1949 um 11 Uhr und endete einen Tag später um 9:30 Uhr!  Insgesamt wurde Arno Esch bis zum 28. April 1950 17-mal verhört. Durch die schriftliche Überlieferung lässt sich der bürokratische Ablauf der Vernehmungen rekonstruieren. Sie begann mit der Belehrung der sich abwechselnden drei Dolmetscherinnen und vier Dolmetscher. Das Protokoll wurde handschriftlich mitgeschrieben und am Ende des Verhörs dem Häftling vorgelesen. Die Richtigkeit hatte dieser auf jedem Blatt handschriftlich zu bestätigen. Er konnte aber auch Veränderungen vornehmen lassen, die ebenfalls per Unterschrift nachgewiesen werden mussten. Später wurde das Protokoll für das Militärtribunal maschinenschriftlich abgeschrieben, dabei sind durchaus Fehler entstanden (vgl. Blatt 164 und 168). Diese Texte wurden wahrscheinlich vom sowjetischen Staatsanwalt sorgfältig gelesen und mit Unterstreichungen und Randvermerken versehen, durch die belastende Aussagen hervorgehoben, aber auch Überprüfungen von Angaben abgearbeitet wurden. 


Strategie und Methode der Verhöroffiziere

Die Arbeitsweise der Sowjetischen Militärtribunale (SMT) hatte nichts mit Ermittlungs- und Gerichtsverfahren eines demokratischen Rechtsstaats zu tun. Dem Beschuldigten stand in den Verhören kein Rechtsbeistand zur Seite. Er wusste zumeist gar nicht, warum er verhaftet worden war. Es galt keine Unschuldsvermutung und der Verhaftete sollte sich selbst belasten. Esch musste zu Beginn der Verhöre ausführlich seinen Lebenslauf erzählen. Dann wurde nach seiner politischen Tätigkeit gefragt. Der Druck auf ihn durch die stundenlangen Befragungen, das eigene ungewisse Schicksal sowie die psychische und körperliche Folter war überaus hoch. Nur so ist es zu erklären, dass Esch die von ihm gegründete Partei „Radikal-soziale Freiheitsbewegung“ als Untergrundorganisation bezeichnete und sehr ausführlich Namen von Beteiligten nannte, von denen er nicht wusste, ob sie noch fliehen konnten. In den folgenden Verhören wurden immer wieder die gleichen Fragen gestellt. Anfangs verneinte Esch den Vorwurf der Spionage, später belastete er Personen, die außerhalb des unmittelbaren Zugriffsbereichs des sowjetischen Geheimdienstes lebten. Spätestens Anfang November 1949 waren Arno Esch die Gründe und Tragweite der Anschuldigungen klar. Er wusste, dass gegen ihn wegen sogenannter konterrevolutionärer Tätigkeit auf Grundlage des politischen Artikels 58 des Strafgesetzbuches der Russischen Sozialistischen Föderativen Sowjetrepublik ermittelt wurde und er somit chancenlos war. Von diesem Moment an versuchte er, die Schuld auf sich zu ziehen und seine Freunde zu schützen.

Fred Mrotzek

Faksimile Arno Esch

Faksimile der Akte Arno Esch (zum Download/Anzeigen bitte auf die Abb. klicken)

Übersetzung Arno Esch

Übersetzung der Akte Arno Esch (zum Download/Anzeigen bitte auf die Abb. klicken)

Faksimile Friedrich-Franz Wiese

Faksimile der Akte Friedrich-Franz Wiese (zum Download/Anzeigen bitte auf die Abb. klicken)