Die Beweismittel

Das SMT hat immer Recht!

Die Sowjetischen Militärtribunale (SMT) hatten mit modernen Gerichten, charakterisiert durch richterliche Unabhängigkeit und faire Verfahren, nichts gemein. Ihre Existenz lag einzig in der politischen Instrumentalisierung der Rechtsprechung im Dienst der Politik der kommunistischen Machthaber. Damit wurde die Justiz zu einem unmittelbaren Herrschaftsinstrument. Das in der Verfassung der DDR formulierte Verbot der Auslieferung eigener Bürger an fremde Staaten blieb auch für Arno Esch und seine Freunde bedeutungslos. Sie wurden von deutschen Polizisten verhaftet und an die sowjetische Staatssicherheit übergeben. Der Anstoß der Ermittlungen gegen Esch lässt sich nicht mehr rekonstruieren. Da er auf öffentlichen Veranstaltungen auftrat und in Tageszeitungen publizierte, könnten entsprechende Hinweise von SBZ-Verwaltungsstellen und SED-Institutionen gekommen sein. Im engsten liberalen Freundeskreis um Arno Esch gab es zum Zeitpunkt der Verhaftungen keine Informanten. Dem MfS gelang die Anwerbung von IMs erst nach der Freilassung der letzten Überlebenden 1956.

Auszug aus der von Esch geplanten Parteistruktur, BStU MfS HA IX/11 RHE Nr. 44/89, Bd. 6, Blatt 310

Geständnisse und Beweise

Im Mittelpunkt der konkreten Ermittlungs- und Untersuchungsführung stand das Geständnis des Verhafteten, der sich selbst und andere belasten musste. Weiteren „Beweisen“, aufgefunden beispielsweise während der Wohnungsdurchsuchungen, kam eine untergeordnete Bedeutung zu. Sie dienten lediglich dem Zweck, den Häftling in den zum Teil bestialischen Verhören verstärkt unter Druck zu setzen. Dass sich die sowjetischen Ermittler nur marginal mit dem Inhalt der bei Arno Esch aufgefundenen und beschlagnahmten Schriften beschäftigten, zeigen der Umgang mit den beschlagnahmten Dokumenten während der Verhöre und die überlieferten Beweise. Mit Datum vom 29. Oktober 1949 existieren zwei Protokolle von Personendurchsuchungen. (BStU MfS HA IX/11 RHE Nr. 44/89, Bd. 1, Blatt 24 ff.) Die Entstehung und Hintergründe dieser Durchsuchungen bleiben unklar, denn Esch befand sich zu diesem Zeitpunkt seit mehreren Tagen in der MGB-Haftanstalt am Schweriner Demmlerplatz. Ebenfalls auf den 29. Oktober 1949 datiert ist das Protokoll der Wohnungsdurchsuchung, durchgeführt von einem Geheimdienstmitarbeiter der SMA Rostock im Beisein eines deutschen Polizeibeamten und der Vermieterin von Arno Esch. (Ebenda, Blatt 35 f.) Hier finden sich auf acht Positionen tatsächlich nur die persönlichen Unterlagen, wie zum Beispiel Briefe, Kalender und Fotografien. Dagegen sind in den Protokollen der beiden Personendurchsuchungen ganze 80 Positionen beschlagnahmt worden, darunter nicht nur eine Vielzahl von Büchern, Zeitungen und Broschüren, sondern auch LDP-interne Schriftstücke und die Entwürfe von CDU und SED der DDR-Verfassung. Das alles kann Arno Esch bei seiner Verhaftung unmöglich bei sich gehabt haben.

Gründungsprotokoll, BStU MfS HA IX/11 RHE Nr. 44/89, Bd. 6, Blatt 306

„eine Holzkiste mit den Maßen 53 x 31 x 21 cm“

Im zweiten Verhör am 27. Oktober 1949 gestand Arno Esch, dass sein Parteifreund Karl Krumm es übernommen hatte, einige Dokumente an einem sicheren Ort aufzubewahren. Einen Tag später durchsuchten sowjetische Geheimdienstmitarbeiter den Schrebergarten der Familie Krumm, der sich zwischen Rostock-Südstadt und Biestow befand. Unter dem kleinen Gartenhaus wurde eine Holzkiste mit Unterlagen entdeckt, die die Familie in Angst und Schrecken versetzte. Der Vater Walter Krumm konnte in dem sich anschließenden Verhör glaubhaft versichern, dass er von der Existenz der Kiste sowie dem Inhalt nichts wusste. Sein Sohn hatte weniger Glück, er wurde am 28. Oktober 1949 verhaftet und in dem gleichen Prozess wie Esch zu 25 Jahren Gulag verurteilt. Karl Krumm überlebte und arbeitete nach seiner Entlassung in Westdeutschland als Journalist. Der Inhalt der Kiste war bis auf einige Schreiben aus Westberlin wenig spektakulär. Sie enthielt im Wesentlichen Flugblätter, Rundschreiben, Zeitungen und Zeitschriften, Protokolle von Parteisitzungen und ein Gedicht von Arno Esch „Stern meines Lebens“.

Die Überlieferung der gefundenen und beschlagnahmten Beweismittel (BStU MfS HA IX/11 RHE Nr. 44/89, Bd. 6) ist tatsächlich sehr spärlich. Letztlich wurden vor allem der Schriftverkehr mit FDP-Funktionären, verschiedene Ausweispapiere, wenige Sitzungsprotokolle von Eschs neu gegründeter Partei (darunter das Gründungsprotokoll) und Rundschreiben der FDP aufbewahrt und alles andere kassiert. In den Verhören spielten Arno Eschs Gedanken und politische Ansichten keine Rolle. Die Geheimdienstmitarbeiter hatte vor allem Interesse an seinen Kontakten nach Westdeutschland, dabei spielte selbst der Inhalt, der ausschließlich politischer Natur war, ebenso eine untergeordnete Rolle.

Dr. Fred Mrotzek

Faksimile Beweismittel